Die Haftung des Liegenschaftseigentümers
Eine Erwachsene verletzt sich beim Schaukeln in einer Netzschaukel auf einem öffentlichen Spielplatz. Sie war mit dem rechten Fuß am Boden während der Schaukelbewegung hängen geblieben. Der Bodenabstand betrug nur 18 cm und nicht – wie in der ÖNorm EN1176-2 für Kinderspielplätze vorgesehen- 40 cm. In der Folge verklagte sie die Gemeinde. Das Erstgericht bejahte die Haftung der Gemeinde, das Berufungsgericht verneinte diese. Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück: Die Klägerin falle als Erwachsene nicht in den Schutzbereich der ÖNorm, die Höhe der Netzschaukel ist für Erwachsene offenkundig, die Verkehrssicherungspflichten dürfen nicht überspannt werden.
In einer öffentlich zugänglichen Toilette eines EKZ in Salzburg kommt eine Kundin im Jahr 2015 zu Sturz, verletzt sich und klagt daraufhin die Betreiberin des Einkaufszentrums. Als Ursache werden die nicht rutschfesten Bodenfliesen bei Feuchtigkeit (zB Spritzwasser) angeführt. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 2003, seit 2009 gibt es einen neu definierten Stand der Technik, der gewisse Reibungskoeffizienten definiert. Beide Vorinstanzen haben die Haftung bejaht ua mit dem Argument, der Austausch der Bodenfliesen wäre wirtschaftlich zumutbar gewesen. Der OGH hat die Revision der Beklagten EKZ-Betreiberin nicht zugelassen. Der baubehördliche Konsens könne nicht entschuldigen, wenn die Kenntnis der Gefahrenquelle oder die Möglichkeit zur Kenntnis und Maßnahmen der Gefahrenabwehr möglich und zumutbar waren.
Eine Reihe möglicher Einwände wurden vom Beklagten aber offenbar zu spät oder gar nicht gemacht. So etwa eine Tatsachenbehauptung dahingehend, dass der Sturz auch mit weniger rutschigen Fliesen der Klassen II oder I erfolgt wäre, erstattete die Beklagte in erster Instanz nicht.
Zum fix aufgestellten gelben Warnschild mit einem Piktogramm, das auf eine Sturzgefahr hinwies, blieb ungeklärt, wo es beim Unfall in der großzügigen Toilettenanlage angebracht war. Wegen der Behauptungs- und Beweislast der Beklagten dafür, alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben, geht diese Negativfeststellung zu Lasten der Beklagten. Auch der Standpunkt des Berufungsgerichts, diese Maßnahme (Warnschild) stelle keine ausreichende Warnung vor der konkreten Gefahrenstelle dar, ist daher jedenfalls vertretbar.
Im Ergebnis wird der Sorgfaltsmaßstab also „dynamisch“ betrachtet.
Ein ebenerdig gelegenes Geschäftslokal ist von einem Holzpodest aus zu betreten. Dieses Podest ist durch eine Holzrampe mit dem angrenzenden Parkplatz verbunden, Höhenunterschied ist ca. 15 cm. Beim Verlassen des Geschäftslokals steigt eine Kundin von der Holzrampe auf den Parkplatz und kommt zu Sturz. In der Einreichplanung des Bauwerks ist ein ebenerdiger Zugang zum Geschäft vorgesehen ohne Stufe oder Absatz, als Bodenbelag ist ein Plattenbelag im Mörtelbett angeführt.
Die Vorinstanzen weisen das Klagebegehren ab. Der Höhenunterschied zwischen dem Holzpodest und der Parkfläche sei der Klägerin nicht nur bekannt, sondern für sie auch konkret erkennbar gewesen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten liege nicht vor. Eine (allenfalls) formale Verletzung der Baubewilligung für das Gebäude stehe mit den Verletzungsfolgen der Klägerin nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang.
Der OGH folgt dieser Rechtsansicht und weist die Revision der Klägerin zurück. Das anzuwendende Schutzgesetz ist teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten sollte. Die von der Klägerin zitierte Bestimmung des Salzburger Bautechnikgesetzes enthält einen allgemeinen Verweis auf den einzuhaltenden technischen Sicherheitsstandard, ohne jedoch eine konkrete Verhaltenspflicht des Bauwerbers zur Gefahrenvermeidung zu normieren. Die Klägerin vermag sich auch nicht auf eine konkrete Auflage oder eine konkrete Sicherheitsanordnung im Baubescheid zu berufen. Der allgemeine Hinweis der Klägerin auf den Einreichplan und den sich aus der planerischen Darstellung ergebenden ebenen Zugang zum Geschäftslokal der Beklagten genügt für die Bejahung des Schutzgesetzcharakters nicht, weil sich daraus keine konkrete Verhaltensanordnung in Bezug auf eine konkrete Schutzmaßnahme entnehmen lässt.
Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
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