Wohnkomfort? Ja bitte!
Wohnkomfort? Ja bitte! ÖVI Österreichischer Verband der Immobilientreuhänder Der Österreichische Verband der Immobilientreuhänder ÖVI – die Qualitäts-Plattform von mehr als 450 Maklern, Verwaltern, und Bauträgern in Österreich - bietet umfangreiche Informationen zu allen Themen rund um die Immobilie. Kauf, Miete, Betriebskosten, Provision, Bewertung, Makler, Bauträger, Verwalter, Energieausweis, Immobilien, Mietvertrag, Interessensvertretung, Sachverständige, Mietrecht, Mietvertrag, Befristung, Kaution, Nebenkostenübersicht, Musterverträge, Immobilientreuhänder Schon 2007 berichtete die Financial Times Deutschland vom Megatrend Barrierefreiheit und empfahl, vom wirtschaftlichen und unternehmerischen Standpunkt aus, in barrierefreie Wohnungen und Gebäude zu investieren. Kein erhobener Zeigefinger, kein Schreckensszenario von Behinderung und Überalterung, sondern eine Fülle an Möglichkeiten für Bauwirtschaft, Immobilienbranche und Design – wenn wir sie wahrnehmen wollen. Denn barrierefrei ist komfortabel – für alle. Von Veronika Egger
Laut Eurostat wächst die Anzahl der über 60-Jährigen in der EU um zwei Million Menschen pro Jahr, doppelt so rasch wie noch vor drei Jahren beobachtet wurde. EU-weit sind bereits heute 88 Millionen Menschen über 65 Jahre alt. Österreich befindet sich im EU-Spitzenfeld bei den 65- bis 79-Jährigen mit 17,6% der Bevölkerung, und schon bald werden wir bei über 80-Jährigen 5% überschreiten. Für 2050 erwarten Prognosen fünfzig Millionen über 80-Jährige in der EU. Gleichzeitig wurde die Talsohle der Geburtenraten überschritten, sie sind wieder im Steigen. Signifikant bei diesen Entwicklungen sind neue Muster der Familienzusammenstellung, geringere Dauerhaftigkeit von Beziehungen und steigende Migration. Eurostat betitelt diese Entwicklung mit »vermehrt ältere und vielfältigere Europäer«.
Flexibel, komfortabel und sicher
Diese gesellschaftlichen Veränderungen müssen sich auf Konsum- und Wohnbedürfnisse auswirken. Ein Wohnumfeld, das sich den wechselnden Anforderungen der Lebensumstände anpasst, wird bald als selbstverständlich vorausgesetzt werden, jedoch können derzeit die wenigsten Häuser und Wohnungen dieser Erwartung gerecht werden.
Das Konzept »anpassbarer Wohnbau « ist nichts Neues. Wir sehen allerdings, dass die Signifikanz dieses Planungsansatzes (noch) nicht wahrgenommen und auch nicht kommuniziert wird. Theoretisch kann, wenn anpassbar geplant wird, jede Wohnung mit wenig Aufwand barrierefrei, also auch in einer Pflegesituation, nutzbar gemacht werden. Dann besteht keine Notwendigkeit mehr, im Alter aus den eigenen vier Wänden auszuziehen.
Auch Überlegungen zur Nutzungssicherheit sollten in der Planung eine größere Rolle spielen: Laut einer Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit sind 82% der Seniorenunfälle Sturzunfälle mit hohen Folgekosten; 80% davon beruhen auf externen Ursachen in der eigenen Wohnung oder im Nahversorgungsbereich. Der erweiterte volkswirtschaftliche Nutzen, nämlich die Reduktion der Folgekosten durch Sturzprävention sowie die Voraussetzungen für Betreuung im Alter in den eigenen vier Wänden zu schaffen, wird viel zu wenig beachtet – überraschend, angesichts des kaum mehr finanzierbaren Gesundheits-und Pflegesystems.
Die Kosten-/Nutzen- Rechnung fällt positiv aus
Vorarlberg geht seit Jahren konsequent einen Weg, der zeigt, dass sich vorausschauende Planung, Sanierung und Adaptierung bezahlt machen. Für die Kosten einer einzigen barrierefreien Adaptierung eines Badezimmers im Bestand können die Mehrkosten für zehn (!) barrierefreie Wohnungen im Neubau gefördert werden. Ein weiteres vorarlberger Rechenbeispiel: Eine Wohnungsadaptierung im Bestand um durchschnittlich 25.000 EUR verursacht, auf zehn Jahre gerechnet, ein Zehntel der Kosten eines Platzes im Pflegeheim.
In einer schweizer Studie wurden die Kosten für die barrierefreie Ausführung von unterschiedlichen Bauten untersucht. Bei barrierefreier Planung erhöhen sich die Erstellungskosten um zwischen 0,3 und 4% je nach Gebäudetyp; Adaptierungsmaßnahmen kommen bei mehr als der Hälfte der untersuchten Objekte auf unter 5% des Objektwertwerts, kleine Bauten können in der Adaptierung bis zu 15% Mehrkosten verursachen.
Auch die Bundesinnung Bau publizierte eine Studie, die Wohnraumadaptierung mit den Kosten für Heimplätze vergleicht und zu dem Schluss kommt, dass sich Adaptierung allemal lohnt: Ein Pflegeheim oder Wohnungsneubau mit Betreuung verursacht bei fünfjähriger Nutzung das Vier- bis Fünffache an Kosten verglichen mit einem altersgerechten Umbau im Bestand.
Design for All ist: für 30% unverzichtbar, für 50% eine wichtige Hilfe, für 100% komfortabel
Die Planungsgrundsätze der ÖNORM B 1600 umfassen bauliche Maßnahmen, Einrichtungen und Ausstattungen sowie Kennzeichnungen, die notwendig sind, um Neu-, Zu- und Umbauten barrierefrei zu errichten. Die Norm wurde kürzlich überarbeitet und im April 2011 publiziert. Ing. Hans Wiesinger, Sachverständiger für barrierefreies Bauen und Vorsitzender der Arbeitsgruppe im Austrian Standards Institute, kommentiert die Neufassung: »Die Nutzungssicherheit und barrierefreie Zugänglichkeit von Gebäuden für alle Menschen sind wesentliche Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit. Daher war es besonders wichtig, die neu überarbeitete ÖNORM B 1600 auch mit der OIB Richtlinie 4, Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit, zu harmonisieren.« Auch seitens der Europäischen Kommission wird »Design for All« in zahlreichen Richtlinien eingefordert und von den Mitgliedsstaaten umgesetzt, wie zum Beispiel im Bundesvergabegesetz 2006 als »Konzept für alle Benutzer «.
Sollte Nutzungskomfort nicht ohnehin selbstverständlich sein? Im oben zitierten FTD Artikel sagt Thomas Beyerle, Chefresearcher der Allianz- Immobilientochter »Degi": "Barrierefreies Leben ist nicht nur für ältere Menschen wichtig – auch Jüngere bevorzugen den Komfort, den diese Wohnungen bieten.« Es geht also um uns alle, die wir den Komfort von mehr Bewegungsraum in Bad und Küche, eines Aufzugs, einer breiten Türe, eines schwellenlosen Übergangs, angenehmer Lichtverhältnisse, guter Lesbarkeit und Akustik schätzen. Thomas Beyerle prognostiziert: »Wohnungen und Eigenheime, die nicht barrierefrei sind, werden in wenigen Jahren nur noch mit deutlichen
Preisabschlägen vermiet- und veräußerbar sein.«
Barrierefreie Planung ist unsichtbar, unspektakulär und schlicht und einfach Stand der Technik. Angesichts der wachsenden Produktvielfalt im Sanitärbereich und der technischen Ausstattungsmöglichkeiten müssen auch im Bedarfsfall keine ästhetischen Kompromisse geschlossen werden. Im Gegenteil: Barrierefreie Planung schafft Flexibilität und eröffnet neue Möglichkeiten der Lebensgestaltung.
Veronika Egger ist Geschäftsführerin der is-design GmbH und Gründungsmitglied des Vereins »design for all«.
Bildnachweis: Wohnservice Wien Ges.m.b.H/Ludwig Schedl, Geburar 2001
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Layoutversion ÖVI:news 02/2011
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