Barrierefreiheit aus Sicht der Bauordnung
Unterschiedliche nationale und internationale Rechtsnormen beschäftigen sich mit der Chancengleichheit der Menschen und ihrer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft: In der Österreichischen Bundesverfassung ist festgelegt, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird auch vom Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz eingefordert, ebenso wie die Gewährleistung einer selbst bestimmten Lebensführung und die Beseitigung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Von Ernst Schlossnickel
Die Instrumente zur Beseitigung und – noch besser – zur Verhinderung der baulichen Hindernisse sind in Österreich die Bauordnungen der Bundesländer. Nach der Kompetenzverteilung der Österreichischen Bundesverfassung ist das Baurecht in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. »Barrierefrei« ist als Bezeichnung für Einrichtungen, die von möglichst vielen Personen benutzt werden können, allgemein gebräuchlich. Die »Barrierefreiheit« ist eine der zielorientierten technischen Anforderungen, die die Grundlage der harmonisierten bautechnischen Vorschriften bilden.
Harmonisierung der technischen Bauvorschriften
Das Österreichische Institut für Bautechnik (OIB) arbeitete im Auftrag der Landesamtsdirektorenkonferenz einen Entwurf harmonisierter bautechnischer Vorschriften aus. Im April 2007 wurde dieser Entwurf von den Bundesländern angenommen und die OIBRichtlinien einstimmig beschlossen. Damit wurde ein Meilenstein auf dem Weg der Vereinheitlichung der neun unterschiedlichen Bauordnungen in Österreich gesetzt. Nach dem neuen System sind in den Bauordnungen nur mehr zielorientierte Anforderungen definiert. Die konkreten technischen Anforderungen sind in den OIB-Richtlinien zu finden, z.B. Breiten der Gänge und Treppen, Steigungsverhältnisse der Treppen, Größen der Bewegungsflächen in der OIB-Richtlinie 4. Die Bauordnungen verweisen auf die OIBRichtlinien. Seit 2008 läuft die rechtliche Umsetzung der OIB-Richtlinien. In Wien wurden alle OIB-Richtlinien über die Wiener Bautechnikverordnung im Rahmen der »Techniknovelle 2007« verbindlich erklärt. Neben Wien setzten 2008 Burgenland, Tirol und Vorarlberg alle OIB-Richtlinien um, die restlichen Bundesländer nur die OIB-Richtlinie 6 »Energieeinsparung und Wärmeschutz«. Am 01.05.2011 zog die Steiermark mit den fehlenden OIB-Richtlinien nach. Oberösterreich, Kärnten und Salzburg bereiten derzeit die Umsetzung der OIB-Richtlinien 1 bis 5 vor.
OIB-Richtlinie 4 »Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit «
Die Barrierefreiheit ist Inhalt der OIB-Richtline 4, Punkt 8. In diesem Punkt werden als technische Anforderung zur Barrierefreiheit einzelne Punkte der ÖNORM B 1600 »Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen«, Ausgabedatum 1.5.2005, taxativ aufgezählt und verbindlich erklärt. Es ergibt sich nebenstehender »rechtlicher Stufenbau« am Beispiel Wien. Den Landesgesetzgebern bleibt es im Rahmen ihrer Kompetenz frei, festzulegen, welche Bauwerke barrierefrei zu gestalten sind.
Aktuelle Entwicklung
Die ÖNORM B 1600 wurde überarbeitet und mit Ausgabedatum 01.04.2011 neu herausgegeben. Derzeit läuft die Überarbeitung der OIB-Richtlinien. Geplant ist, dass bis zum Sommer 2011 die OIB-Richtlinien-neu beschlossen werden. Anschließend kann wieder die rechtliche Umsetzung der OIB-Richtlinien- neu beginnen. Für Wien bedeutet das beispielsweise, dass die Wiener Bautechnikverordnung novelliert werden muss. DieserProzess könnte bis Ende 2011 abgeschlossen sein. Die OIB-Richtlinie 4-neu wird auf die ÖNORM B 1600, Ausgabedatum 01.04.2011 Bezug nehmen. In den Bundesländern, die die Richtlinie 4-alt umgesetzt haben, bleibt die ÖNORM B 1600, Ausgabedatum 01.05.2005 gültig, bis die OIB-Richtlinie 4-neu rechtlich verbindlich ist. Während dieses Umsetzungsprozesses wird man bei der Barrierefreiheit mit unterschiedlichen technischen Anforderungen in den Bundesländern leben müssen.
Beispiele barrierefrei zu gestaltender Bauwerke
Wien hat im § 115 Abs. 1 der Wiener Bauordnung (BO) festgelegt, dass u.a. alle Bauwerke mit Aufenthaltsräumen, außer Gebäude mit einer Wohnung, die ehemaligen Kleinhäuser (das sind Gebäude mit max. zwei Wohnungen und einem Teil für Geschäfte) und Reihenhäuser barrierefrei zu gestalten sind. Tirol verlangt im § 30 der technischen Bauvorschriften 2008 die barrierefreie Ausführung von Wohngebäuden mit mehr als drei Wohneinheiten mit Ausnahme von Reihenhäusern.
Das Oberösterreichische Bautechnikgesetz normiert im § 27 die barrierefreie Gestaltung von Wohngebäuden ausgenommen Kleinhausbauten (das sind Wohngebäude mit nicht mehr als zwei oberirdischen Geschossen und höchstens drei Wohnungen).
Im § 35 der Vorarlberger Bautechnikverordnung sind Bauwerke mit vier oder mehr Geschossen und mehr als zehn Wohneinheiten mit einem Personenaufzug auszustatten und die Wohnungen in solchen Wohngebäuden barrierefrei zu gestalten.
DI Ernst Schlossnickel ist Mitarbeiter der MA 37 (Baupolizei) und Vertreter der Stadt Wien im OIB, Sachverständigenbeiräte für die Richtlinien 3 und 4 sowie Experte im Austrian Standards Institute, Arbeitsgruppe für Barrierefreies Bauen.
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