Baukostensteigerungen und Fixkostenvereinbarungen in Bauträgerverträgen
In der gesamten Baubranche kam es zuletzt immer wieder zu teilweise enormen Preissteigerungen bei Baumaterialien und Rohstoffen und damit zusammenhängenden Anmeldungen von Mehrkostenforderungen durch die von Bauträgern beauftragten Bauunternehmen, dies auch bei vertraglich vereinbarten Fixpreisen. Daraus resultiert eine Vielzahl an rechtlichen Fragestellungen.
In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage, aus welchem Grund die Leistung nicht zum vereinbarten Preis erbracht werden kann und in wessen Sphäre ein solcher Leistungshinderungsgrund liegt. Hierbei ist zunächst das Verhältnis zwischen Bauträger und Bauunternehmen zu beleuchten.
Sofern die ÖNORM B 2110 (bzw. B 2118) vereinbart wurde, ist deren Punkt 7.2.1 einschlägig. Demnach werden solche Ereignisse der Sphäre des Auftraggebers zugeordnet, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom Auftragnehmer nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind. Nicht vorhersehbar sind außergewöhnliche, ausgesprochen seltene Ereignisse. Als Kriterium der Risikogrenze zieht die ÖNORM B 2110/2118 – sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde – das »10-jährliche Ereignis « heran. Unabwendbar sind solche Ereignisse, die selbst durch die höchstmögliche Sorgfalt nicht zu verhindern sind. Als Beispiele werden von der ÖNORM B2118 unter anderem Krieg, Terroranschläge sowie außergewöhnliche Elementarereignisse und Witterungsverhältnisse genannt.
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen können daher grundsätzlich auch Baukostensteigerungen als unvorhergesehene und unabwendbare Ereignisse im Sinne der ÖNORM B 2110/2118 qualifiziert werden, die in die Risikosphäre des Auftraggebers fallen können. In diesem Fall könnten Mehrkosten für Baumaterialien vom Auftragnehmer im Rahmen einer Mehrkostenforderung geltend gemacht werden.
Sofern hingegen die ÖNORM B 2110/2118 vertraglich nicht vereinbart wurde, richtet sich die Risikoverteilung nach der sogenannten Sphärentheorie gemäß § 1168 f ABGB. Lässt sich demnach eine eingetretene Leistungsstörung weder dem Auftraggeber noch dem Auftragnehmer zuweisen, entstammt die Störung der neutralen Sphäre. Nach dem ABGB trifft das aus der neutralen Sphäre stammende Risiko grundsätzlich den Auftragnehmer. Fälle von »höherer Gewalt« fallen in die neutrale Sphäre. Der höchstgerichtlichen Judikatur ist zu entnehmen, dass unter »höherer Gewalt« ein von außen einwirkendes, elementares Ereignis zu verstehen ist, das nicht in einer gewissen Häufigkeit und Regelmäßigkeit vorkommt und daher auch nicht zu erwarten ist, das so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist, das selbst bei Anwendung äußerster Sorgfalt ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmers nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Auftragnehmer in Kauf genommen und vertreten werden muss. Es hängt im Einzelfall stets vom konkreten Ausmaß und der »Gewöhnlichkeit« bzw. »Häufigkeit« ab, ob tatsächlich ein Anwendungsfall der »höheren Gewalt« argumentiert werden kann. Außerhalb der ÖNORM hat der Oberste Gerichthof in einer Entscheidung einen 30-jährigen Betrachtungszeitraum für diese Beurteilung herangezogen.
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen könnten daher grundsätzlich auch Baukostensteigerungen als »höhere Gewalt« qualifiziert werden, die nach dem ABGB in die Risikosphäre des Auftragnehmers fallen. In diesem Fall kann der Auftragnehmer keine Preiserhöhungen im Rahmen einer Mehrkostenforderung geltend machen und hat er das Werk zum vereinbarten Fixpreis zu errichten.
Lediglich nach Ansicht eines kleinen Teiles der juristischen Lehre sind Ereignisse von »höherer Gewalt « im Sinne der obigen Voraussetzungen weder dem Auftragnehmer noch dem Auftraggeber zuzuweisen. Nach dieser Ansicht soll die »höhere Gewalt« zu einem zeitweiligen Wegfall der Geschäftsgrundlage und solange zu einem zeitweiligen Einfrieren der gegenseitigen Pflichten führen, bis die »höhere Gewalt« wegfällt. Bis zum Wegfall des Hindernisses kann demnach der Auftragnehmer mit der weiteren Werkerstellung innehalten und schuldet der Auftraggeber keine Entgelterhöhung. Daneben könnten Baukostensteigerungen noch einen Fall der nachträglichen und zufälligen wirtschaftlichen Unmöglichkeit gemäß § 1447 ABGB darstellen (Unerschwinglichkeit).
Voraussetzung ist jedoch, dass der Auftragnehmer den Eintritt der Unerschwinglichkeit nicht verschuldet haben darf. Weiters darf die Unerschwinglichkeit für den Auftragnehmer nicht vorhersehbar gewesen sein. Als Maßstab für diese Beurteilung ist ein sorgfältiger Unternehmer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses heranzuziehen. Darüber hinaus kann die Unerschwinglichkeit nur bei außergewöhnlichen Umstandsänderungen vorliegen. Es reicht daher nicht, wenn die Vertragserfüllung für den Auftragnehmer lediglich beschwerlicher oder kostenintensiver geworden ist. Bis zu einem gewissen Grad sind sogar Verluste hinzunehmen. Wenn allerdings ein solch grobes Missverhältnis besteht, dass die Kosten für den eigenen Aufwand außer jedem Verhältnis zur Gegenleistung stehen, sodass sich die eigene Leistung schon objektiv als eine unvernünftige und wirtschaftlich sinnlose darstellen würde, liegen außergewöhnliche Veränderungen vor. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen könnten daher exorbitante Baukostensteigerungen einen Fall der wirtschaftlichen Unerschwinglichkeit darstellen, was zur Auflösung des Vertrages aus wichtigem Grund berechtigen würde. Ein Teil der juristischen Lehre spricht sich alternativ auch für die Möglichkeit zur einseitigen Vertragsanpassung aus. Eine gesicherte Rechtsprechung liegt jedoch bis dato zu keiner der obigen Konstellationen vor.
von Dr.. Roland Weinrauch LL.M. (NYU)
Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
Mariahilfer Straße 116/2.OG/2 - 1070 Wien
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