Judikatur: "Unverbaubarer Panoramablick"
Der OGH hatte jüngst (5 Ob 40/21z) die Vermarktungsaktivitäten eines Bauträgers zu beurteilen, mit denen Eigentumswohnungen in Zeitungsinseraten mit einem "unverbaubaren Panoramablick auf die Karawanken" beworben wurden. Einmal mehr zeigt sich, dass bei derartigen Werbeaussagen, die nicht nur den Status quo einer Immobilie wiedergeben, sondern auch eine gewisse Perspektive für die Zukunft ("Unverbaubarkeit") ansprechen, besondere Vorsicht geboten ist.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der derart beworbene Panoramablick war auch Gegenstand des Besichtigungstermins, bei dem ein Mitarbeiter des beklagten Bauträgers dem potentiellen Käufer einer Wohnung mündlich zusagte, "dort komme nichts Hohes hin, dies dürfe gar nicht sein."
Der Wunsch des Käufers, den Standard-Kaufvertrag dahingehend zu ändern, dass die besondere Eigenschaft des unverbaubaren Panoramablicks in diesen aufgenommen wird, wurde dabei mit der gleichzeitigen ausdrücklichen Zusage verweigert, das Kaufobjekt entspreche der Bewerbung. In der Folge erwarb der Interessent die Wohnung und nahm sodann Änderungen am Grundriss vor, um von Küche und Wohnraum aus freien Blick auf die Karawanken zu haben. Etwa ein Jahr nach Abschluss des Kaufvertrages wurde direkt vor der gegenständlichen Wohnung ein zweigeschossiges Gebäude mit Spitzdach errichtet, das den Ausblick auf die Karawanken von Wohnraum und Terrasse fortan massiv einschränkte. Das Erstgericht gab der Klage des Käufers auf Preisminderung von knapp EUR 30.000,- statt, das Berufungsgericht gab der Berufung des beklagten Bauträgers nicht Folge und hielt nachvollziehbar fest, dass der Käufer das Objekt mit der bedungenen Eigenschaft eines unverbaubaren Panoramablicks erworben hat. Es ließ aber gleichzeitig die Revision an den OGH mit der bemerkenswerten Begründung zu, es fehle höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob ein Panoramablick von einer Immobilie ein wert- und preisbestimmendes Kriterium sei, das Gewährleistungsansprüche rechtfertige. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass schon das OLG Linz in einem anderen Verfahren (6 R 134/18w – vgl. die Presse, Rechtspanorama vom 16. August 2021) in zweiter Instanz festhielt, dass die Lage einer Immobilie und insbesondere der Ausblick auf einen See oder ein "Schloss" "in der Regel das wertbestimmende und preisbestimmende Merkmal darstellt".
Der OGH erachtete die Revision für nicht zulässig und auch nicht berechtigt. Er beschäftigt sich aber dennoch eingehend mit der Frage, ob der gegenständliche Sachverhalt grundsätzlich Gewährleistungsansprüche rechtfertigen kann und kommt mit ausführlicher Begründung zu dem – jedenfalls für Immobilientreuhänder wenig überraschenden – Ergebnis, dass es auf der Hand liege, "dass am Markt für Immobilien mit einem freien (Panorama-)Blick höhere Preise erzielt werden, weil dieser allgemein als Vorteil wahrgenommen wird". Insofern sei der zugesagte unverbaubare Ausblick der Wohnung ein wertbestimmendes Kriterium, dass gewährleistungsrechtlich von Relevanz ist. In einem Zeitungsinserat gemachte Angaben des Verkäufers über die Beschaffenheit eines Grundstücks, die dem Erwerber zur Kenntnis gelangen, seien in die Vertragsauslegung einzubeziehen. Zur Höhe der demnach gerechtfertigten Preisminderung hielt er fest, der höhere Wert einer Eigentumswohnung durch einen unverbaubaren Panoramablick beruhe nicht auf der Erhöhung des Wertes einzelner Zimmer mit einem solchen, sondern sei aufgrund einer Gesamtschau zu ermitteln.
Dieser Sachverhalt erinnert an den, der der Entscheidung 6 Ob 98/18h zugrunde lag. Auch dort warb die Beklagte, eine Immobilienmaklerin, prominent mit dem "unverbaubaren Ausblick" einer zum Verkauf stehenden Eigentumswohnung. Diese Angabe erwies sich auch in diesem Fall als unrichtig, in der Folge wurde auf der Nachbarliegenschaft ein Wohnhaus errichtet, das den Ausblick wesentlich beeinträchtigte. Dennoch verneinte der OGH hier eine Verletzung der Informationspflicht der Maklerin, dem Expose war nämlich ein Lageplan einer eigens konsultierten Ziviltechnikergesellschaft angeschlossen, der eine zum damaligen relevanten Zeitpunkt unzutreffende Parzellierung aufzeigte. Der OGH verwies hier auf den Grundsatz, dass dem Makler hinsichtlich einer bloß weitergegebenen Information keine besondere Nachforschungspflicht trifft, wenn für ihn keine Veranlassung besteht, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Er darf lediglich nicht den Eindruck erwecken, er habe den Wahrheitsgehalt überprüft, wovon in gegenständlicher Konstellation nicht auszugehen war.
Ein weiterer Unterschied zu oben geschildertem Fall liegt darin, dass die Preisminderung als Gewährleistungsanspruch zwischen den Parteien des Kaufvertrages (Bauträger/ Käufer) dort ohne weiteres zuzusprechen war. Die Geltendmachung eines entsprechenden Schadenersatzanspruchs im Verhältnis Käufer/Makler scheiterte entsprechend der – meines Erachtens kritikwürdigen – jüngeren Rechtsprechnung aber auch daran, dass die Käuferin den Nachweis eines "alternativen Geschehensablaufes" dahingehend nicht erbracht hat, dass sie die Wohnung auch um einen niedrigeren Preis erworben hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die Unverbaubarkeit nicht gewährleistet ist. Wie auch immer: Makler sollten jedenfalls bei in die Zukunft gerichteten Werbeanpreisungen, wie eben der einer "Unverbaubarkeit", besondere Vorsicht walten lassen und diese durch entsprechende Erkundigungen und Einsicht in Bebauungs-, Lage-, Flächenwidmungspläne udgl. auch absichern.
Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
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