Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG 2002)
Nach geltendem Recht ist für Änderungen (etwa Baumaßnahmen unter Einbeziehung der Gebäudesubstanz) des einzelnen Wohnungseigentümers an seinem Nutzungsobjekt die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer erforderlich, sofern die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer auch nur möglich ist. Der vorliegende Entwurf sieht eine Zustimmungsfiktion für bestimmte Maßnahmen vor. Demnach soll in diesen Fällen die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer als erteilt gelten, wenn sie von der geplanten Änderung durch Übersendung verständigt werden und der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung auf Papier oder in dauerhaft speicherbarer elektronischer Form (dem entspricht etwa ein E-mail) widersprechen. In der Verständigung müssen die Änderungen konkret umschrieben und die Rechtsfolgen des Unterbleibens eines Widerspruches genannt werden. Ein solches „Schweigen als Zustimmung“ soll aber nur für folgende konkrete Änderungen des Wohnungseigentümers in Frage kommen:
Hinsichtlich der Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge soll mittelfristig ein, nur durch eine gemeinsame Elektro-Ladeanlage mögliches, „intelligentes“ Laden sichergestellt werden: Ein Wohnungseigentümer, der in seiner Garage oder an seinem Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug eine einzelne Vorrichtung zum Laden eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs angebracht hat, muss deren Nutzung nach Inbetriebnahme einer gemeinsamen Elektro-Ladeanlage unterlassen, wenn die Eigentümergemeinschaft dies auf Grundlage eines darüber gefassten Beschlusses von ihm verlangt und die elektrische Versorgung der Liegenschaft durch eine Beteiligung an der gemeinsamen Anlage besser genützt werden kann als durch die weitere Nutzung der Einzelladestation. Diese Unterlassungspflicht tritt aber frühestens fünf Jahre nach Errichtung der Einzelladestation ein.
Flankierend dazu werden die Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs sowie die barrierefreie Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjekts oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft in den Kreis der sog. privilegierten Änderungen aufgenommen. Damit wird klargestellt, dass die Zustimmung zu diesen Änderungen nicht mit der Begründung verweigert werden darf, dass diese nicht der Übung des Verkehrs entsprechen oder nicht einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen.
Der Verwalter muss künftig jedem Wohnungseigentümer, der dies zur Verständigung der anderen Wohnungseigentümer von ihm verlangt, Auskunft über die Namen und die Zustellanschriften der anderen Wohnungseigentümer geben. E-Mail-Adressen sollen aber nur mit Zustimmung des betreffenden Wohnungseigentümers mitgeteilt werden können. Dabei wird ein Wohnungseigentümer dem Verwalter die Weitergabe seiner Zustellanschrift nur dann verweigern können, wenn er ihm gleichzeitig eine andere inländische Anschrift oder eine E-Mail-Adresse bekannt gibt, über die er verständigt werden kann.
Als wesentlicher Punkt der Novelle soll die Willensbildung der Eigentümergemeinschaft erleichtert werden: Es wird – neben der weiterhin aufrecht bleibenden Möglichkeit der Beschlussfassung durch die (Anteils-)Mehrheit - eine zweite mögliche Variante eingeführt werden: Demnach soll es auch ausreichen, wenn die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, berechnet immer nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile, zustimmt, sofern diese Mehrheit überdies zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile erreicht.
Es wird ein gesetzliches Mindestmaß für die monatliche Dotierung der Rücklage festgelegt werden, welches nur in Einzelfällen („wegen des besonderen Ausmaßes der bereits vorhandenen Rücklage oder wegen einer erst kurz zurückliegenden Neuerrichtung oder durchgreifenden Sanierung des Gebäudes“) unterschritten werden darf. Die Höhe soll zunächst mit € 0,90 pro Quadratmeter der Nutzfläche festgeschrieben und dann alle 2 Jahre – beginnend mit 1.1.2024 - nach dem VPI valorisiert werden.
Für den Fall, dass größere Verbesserungs- und Erhaltungsarbeiten durch eine Kreditaufnahme finanziert werden sollen, soll – entsprechend einer bereits teilweise praktizierten Vorgehensweise - explizit festgeschrieben werden, dass der Verwalter den Wohnungseigentümern die unmittelbare Zahlung des auf ihren Anteil entfallenen Teils der erforderlichen Kreditsumme ermöglichen kann. Die Aufwendungen für die – dadurch vermindert notwendige – Kreditfinanzierung sind dann ausschließlich von den anderen Wohnungseigentümern zu tragen.
Es soll den Wohnungseigentümern die Möglichkeit zur Teilnahme an Eigentümerversammlungen in Wege elektronischer Kommunikation, etwa durch eine Videokonferenzverbindung, eingeräumt werden. Ob und inwieweit davon Gebrauch gemacht wird, liegt im pflichtgebundenen Ermessen des Verwalters.
Schließlich will man sich in den Übergangsbestimmungen dem Problem annehmen, dass der Nutzwert von Geschäftsräumlichkeiten vor dem WEG 2002 gemäß den jeweiligen alten Fassungen des Gesetzes in Relation zu dem von Wohnungen sehr hoch angesetzt wurde. Die dadurch den Wohnungseigentümern dieser Geschäftsräume überproportional hohe Belastung an Aufwendungen soll dadurch entschärft werden, dass jeder Wohnungseigentümer bis zum Ablauf des Jahres 2024 eine Neufestsetzung der Nutzwerte aus diesem Grund beantragen kann.
Die Neuregelungen hinsichtlich des Änderungsrechts des Wohnungseigentümers (Zustimmungsfiktion und Erweiterung des Kataloges der privliegierten Änderungen), der Kreditfinanzierung von größeren Verbesserungs- und Erhaltungsarbeiten, der Bekanntgabe von Zustellanschriften durch den Verwalter sowie der Möglichkeit zur Teilnahme an Eigentümerversammlungen in Wege elektronischer Kommunikation werden mit 1. Jänner 2022, die Neuerungen betreffend Willensbildung der Eigentümergemeinschaft sowie der Mindestrücklage erst mit 1. Juli 2022 in Kraft treten.
von Dr. Andreas Berger
Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
Mariahilfer Straße 116/2.OG/2 - 1070 Wien
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