OGH beendet quälende Rechtsunsicherheit
Die Aussendung des OGH im Wortlaut:
In einem Individualprozess begehrt die klagende Mieterin die Zahlung von zuviel bezahltem Mietzins. Sie machte ua einen Verstoß der Wertsicherungsklausel des Mietvertrags gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG geltend. Nach dieser Bestimmung ist eine Klausel unzulässig, wonach dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung zu erbringenden Leistung ein höheres als das ursprünglich bestimmte Entgelt zusteht, sofern die Klausel nicht im einzelnen ausgehandelt wurde. Der Oberste Gerichtshof verneinte einen solchen Anspruch. In seinem umfassend begründeten Urteil ging der 10. Senat davon aus, dass die erwähnte Norm für Bestandverträge nicht gilt, die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Vermieters nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist. In der Entscheidung wird dieses Ergebnis mit dem Wortlaut und Zweck der Norm, der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien erklärt. Der in jüngerer Zeit in vereinzelten Entscheidungen über Verbandsklagen (zum Teil nur obiter) vertretenen gegenteiligen (und im Schrifttum kritisierten) Ansicht schloss sich der 10. Senat nicht an.
Link zur Entscheidung: RIS - 10Ob15/25s - Entscheidungstext - Justiz
Eine erste Analyse seitens ÖVI:
1. Zur Auslegung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG im Mietrecht: Der Senat stellt klar, dass diese Bestimmung nach Wortlaut und Zweck nur auf Verträge anwendbar ist, bei denen die Unternehmerleistung binnen zwei Monaten vollständig zu erbringen ist. Das Ziel der Norm ist der Schutz vor überraschenden Preiserhöhungen innerhalb kurzer Zeit, insbesondere wenn Verbraucher mit einem fixen Preis rechnen. Dieser Überraschungseffekt liegt bei langfristigen Mietverhältnissen mit indexierten Mieten nicht vor, da diese typischerweise eine Wertsicherung beinhalten, die keine Preisfixierung suggeriert.
2. Zur Systematik und Entstehungsgeschichte: Die Entstehungsgeschichte und Gesetzesmaterialien stützen die enge Auslegung: Die ursprüngliche Dreimonatsfrist wurde bewusst auf zwei Monate verkürzt, um nur kurzfristige Verträge zu erfassen. Auch aus dem in der Regierungsvorlage genannten Beispiel eines Darlehens lässt sich keine generelle Anwendbarkeit auf Dauerschuldverhältnisse ableiten. Eine Anwendung der Norm auf langfristige Mietverträge widerspräche daher dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers.
3. Zur unionsrechtlichen Dimension: Die durch die EuGH-Rechtsprechung verschärften Rechtsfolgen (wie z.B. völlige Unwirksamkeit missbräuchlicher Klauseln ohne geltungserhaltende Reduktion) verdeutlichen die Notwendigkeit einer engen Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG. Eine Anwendung auf langfristige Mietverhältnisse könnte gravierende praktische und rechtliche Nachteile nach sich ziehen, etwa die Rückzahlung bereits geleisteter Mietzinsanpassungen. Es ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, dass er diese Folgen in Kauf nehmen wollte.
4. Zur konkreten Entscheidung: Da der zehnjährige Mietvertrag keine vollständige Unternehmerleistung binnen zwei Monaten vorsieht, ist § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf die darin enthaltene Wertsicherungsklausel nicht anwendbar. Auch ein Verstoß gegen andere Verbraucherschutzvorschriften liegt nicht vor, da die Vertragsparteien nachträglich wirksam den Ausgangsmonat der Indexierung auf Dezember 2020 einvernehmlich angepasst haben. Das Rückforderungs- und Feststellungsbegehren der Klägerin war daher abzuweisen.
5. Zum Ausgangsmonat für die Wertsicherung
Noch ein weiterer Angriffspunkt aus den bisherigen Klauselentscheidungen wurde angesprochen: Der bloße Umstand, dass der Ausgangswert für die Zinsanpassung auf einen vor dem Abschluss des Mietvertrags liegenden Zeitpunkt Bezug nimmt, schadet nicht. Gerade ein – wie im Anlassfall – an die zuletzt verlautbarte Indexzahl anknüpfende Wertsicherungsvereinbarung ist durchaus verkehrs- bzw. branchenüblich und damit nicht objektiv ungewöhnlich iSd § 864a ABGB. Aber auch im Sinne des Sachlichkeitsgebotes (§ 6 Abs 1 Z 5 KschG und § 879 Abs 3 ABGB) begegnet eine solche Klausel keinen Bedenken. Nicht zuletzt wird auf die gesetzlichen Valorisierungsmodelle des § 16 Abs 6 Satz 3 MRG hingewiesen, der Entsprechendes für die Kategorie- und Richtwertmietzinse vorsieht.
6. Die Begründung des 10. Senats ist im Detail sorgsam ausgefeilt und begründet. Es wird überzeugend dargelegt, dass es - anders als oftmals suggeriert - noch keine ständige Rechtsprechung des OGH gibt, daher auch kein verstärkter Senat zum Abweichen von dieser erforderlich wäre. Auch auf das jüngste Erkenntnis des VfGH zur angeführten KSchG-Bestimmung wird ausführlich eingegangen und dessen Conclusio aus zivilrechtlicher Sicht abgelehnt. Aufgrund der Kompetenzverteilung bindet ein Ausspruch des VfGH den OGH nicht. Verfahrensgegenstand war dort (nur) die Verfassungskonformität dieser Norm.
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