OGH entschärft Rücktrittsrecht nach FAGG: erklärter Ausschluss des Rücktrittsrechts bei Besichtigung (nach Namhaftmachung) nicht verspätet
Im vorliegenden Fall meldete sich ein Interessent auf ein Inserat des Maklers und forderte weitere Unterlagen per E-mail an sowie die Vereinbarung eines Besichtigungstermins. Die Maklerin beantwortete diese Anfrage ebenfalls per E-Mail, nannte darin die Objektdaten und wies auf die Provisionspflicht im Fall der Vermittlung sowie Nebenkosten hin. In einem Anhang übermittelte die Klägerin zudem ein Exposé, beinhaltend unter anderem die Nebenkostenübersicht und Informationen zum Maklervertrag einschließlich einer Belehrung über Rücktrittsrechte und ein Musterwiderrufsformular. Bei der Besichtigung (also erst nach Namhaftmachung) unterfertigte der Käufer auf einem Besichtigungsschein die vorzeitige Beauftragung und die Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts. Nach erfolgreicher Vermittlung stellte der Makler die vereinbarte Provision in Rechnung. Daraufhin erklärte der Käufer seinen Widerruf vom Maklervertrag, mit der Begründung, die ihm erteilte Rücktrittsbelehrung entspreche nicht den Vorgaben des FAGG.
Der OGH kam zu dem Ergebnis, dass die unterschriftliche Bekräftigung des Wunsches und der Bestätigung der Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei der ersten Besichtigung als nicht verspätet anzusehen war. Immerhin hatte der Käufer die Klägerin per E-Mail, also bereits auf einem dauerhaften Datenträger iSd § 3 Z 5 FAGG zuvor selbst aufgefordert, ihm umgehend Informationen über die streitgegenständliche Liegenschaft zukommen zu lassen und eine Besichtigung zu ermöglichen, die er auch Anspruch genommen hat. Selbst wenn man im E-Mail des Käufers noch kein formgerecht bestätigtes Verlangen iSd § 10 FAGG erblicken wollte, so der OGH, wird dieses Ergebnis den dargestellten Zwecken des Formgebots gerecht. Hätte der Käufer sich nämlich bei der Besichtigung geweigert, seinen zunächst per E-Mail und mit der Terminvereinbarung artikulierten Wunsch nach sofortigem Tätigwerden der Maklerin zu bestätigen, hätte die Maklerin noch wegen des Risikos, für eine verdienstliche Vermittlung grundlos kein Entgelt zu erhalten, ihre weiteren Leistungen einstellen können. In diesem Fall hätte sich die Frage eines Rücktritts für den Käufer gar nicht gestellt.
Der OGH gelangte zur Auffassung, dass zu keinem Zeitpunkt ein Rechtsschutzdefizit für den Käufer bestand. Seine Unterschriftsleistung nach § 10 FAGG erfolgte erst nach schriftlicher Information (§ 30b KSchG, § 4 FAGG) und sie entsprach seinem in diesem Zeitpunkt bestehenden Interesse am unverzüglichen Erwerb der Liegenschaft, ohne in seiner Willensbildung in irgendeiner Weise (potentielle Ansprüche der Klägerin etc) beeinträchtigt zu sein.
Der OGH hat sich in seiner Begründung auch ausführlich mit der speziellen Situation der Immobilienvermittlung und dem Rücktrittsrecht nach dem FAGG auseinandergesetzt und dass eine Aufforderung, vorzeitig tätig zu werden, auch wenn diese bereits nach erfolgter Namhaftmachung erfolgt, dadurch nicht verspätet sein muss. Gerade für die in der Immobilienvermittlung übliche Vorgangsweise, verfügbare Objekte öffentlich zu inserieren, hätte diese Interpretation zur Folge, dass eine vorzeitige Vertragserfüllung nach § 10 FAGG mit den sich daran anknüpfenden Folgen bei der Vermittlung (zumindest) von Grundstücken und Häusern überhaupt nicht in Frage käme, weil solche Objekte in der Regel von jedem Interessierten anhand von Ortsangaben und Fotos, auch ohne Kontakt mit dem Makler, identifiziert werden können. Dabei besteht in diesem Geschäftsbereich sowohl häufig das Bedürfnis nach unverzüglicher Besichtigung auf Seiten des möglichen Käufers, als auch ein besonderes Interesse des Maklers am Schutz seines Provisionsanspruchs, weil eine erfolgreiche Vermittlung weder rückabgewickelt werden kann, noch anderweitig verwertbar ist. So bestünde kein schutzwürdiges Interesse des Verbrauchers, der sich bewusst den Vorteil einer entgeltlichen Dienstleistung zugewendet hat, diese grundlos nicht bezahlen zu müssen.
Die Namhaftmachung der Kaufgelegenheit sei bei Immobilieninseraten erst die Voraussetzung dafür, dass ein potentieller Käufer Interesse an einem ersten Kontakt mit dem Makler und einem allfälligen Vertragsabschluss entwickeln kann. Das nach § 10 FAGG maßgebliche Verlangen auf vorzeitige Vertragserfüllung ist nicht auf die Erteilung der jedermann zugänglichen Information, sondern auf die Erbringung der weiteren Dienstleistungen eines Maklers gerichtet, die letztlich zum Abschluss des vermittelten Vertrags führen sollen. Die unverbindliche Besichtigung eines vom Makler öffentlich angebotenen Objekts findet noch in einem entgeltfreien Stadium statt. Erst mit einem verbindlichen Kaufanbot nimmt der Käufer die Abschlussgelegenheit und damit die provisionspflichtige Leistung des Maklers in Anspruch, so der OGH.
Die Frage, ob die Klägerin ihre weiteren gesetzlichen Informations- und Aufklärungspflichten über das Rücktrittsrecht vollständig – insbesondere im Hinblick auf die Nennung der Kontaktdaten – erbracht hat, konnte bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben. Wie der OGH auch schon in 8 Ob 122/17z ausgesprochen hatte, erfordert der Ausschluss des Rücktrittsrechts bei einer vorzeitigen Beauftragung nicht die Einhaltung aller Informationspflichten.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir Sie auf den, in den Wohnrechtliche Blätter 34, 61–64 (2021) erschienenen, Beitrag "IWD – Aktuelle Fragen zum Maklerrecht" von Univ.-Ass. Mag. Marco Scharmer B.A., Innsbruck hinweisen, der den Vortrag unserer Rechtsexpertin Mag. Karin Sammer zu aktuellen Fragen im Maklerrecht am 18.01.2021 im Rahmen der Vortragsreihe „Innsbrucker Wohnrechtlicher Dialog“ (IWD) zusammen gefasst hat.
Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
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