Virtuelle Eigentümerversammlungen
Die COVID-19-Pandemie hat unser Leben massiv beeinflusst. Eine der Folgen davon ist, dass ein großer Innovationsschub in Richtung digitaler Kommunikation, Homeoffice-Arbeitsplätze und digitaler Prozessabläufe in den Hausverwaltungen stattgefunden hat. Was einige innovative Hausverwaltungen schon länger angedacht oder vielleicht auch probiert haben, ist für viele mittlerweile ernstgemeinte Realität: Kann ein Verwalter Videokonferenz abhalten?
Nähert man sich der Beantwortung dieser Frage zunächst pragmatisch, so hätte diese Idee vieler Verwalter*innen sich mit Wohnungseigentümern auch außerhalb von Pandemieregelungen auf „kurzem Wege“ zur Besprechung wichtiger Themen, allenfalls zur Beschlussfassung zu vernetzen, viel Charme: Die Frage des geeigneten Versammlungsraums fällt weg, Präsentationen (Pläne, Fotos, Kostenaufstellungen) können einfach vermittelt werden und – das Allerwichtigste: das Teilnahmehindernis der Ortsabwesenheit bzw. An- und Abreise fällt für Eigentümer weg, was zu höheren Anwesenheiten führen sollte. Die Herausforderungen liegen sicher im Bereich der Feststellung der Anwesenheiten, Schutz der Personendaten und der Vertraulichkeit der Daten der Eigentümergemeinschaft, der Verhandlungsführung und der technischen Herausforderungen für Eigentümer, die gar nicht oder nur eingeschränkt mit Videokonferenzen Erfahrungen haben. Viele Verwalter haben auch in den Verwaltungsverträgen der von ihnen betreuten Eigentumsgemeinschaften Regelungen, die Eigentümerversammlungen etwa jährlich verbindlich festlegen oder auch den Zeitraum („bis längstens Ende Juni“) definieren, was in Zeiten der COVID-19-Distanzregelungen die Suche nach geeigneten Alternativen zur Erfüllung Ihrer Verpflichtungen erklärt.
Die Eigentümerversammlung an sich ist ein sehr seltsames Gebilde im Wohnrecht: Ganz offenbar ist es dem Gesetzgeber besonders wichtig, Versammlungen unter Wohnungseigentümern zur Schaffung des Meinungsaustausches und der besseren Verwaltbarkeit der gemeinsamen Sache als Instrument zu regeln: nämlich so wichtig und bedeutsam, dass neben der Verwalterpflicht, regelmäßig zur Eigentümerversammlungen einzuladen, auch die Einladung, Verfassung der Niederschrift, Übermittlung der Niederschrift, Stellvertretung der Eigentümer genau geregelt ist. Was aber bis heute gänzlich ungeregelt ist, ist die Funktion, die der Eigentümerversammlung eigentlich beikommen sollte: „Berichterstattung über die finanzielle Gebahrung“, die „Genehmigung von Abrechnungen“ oder aber die „Entlastung des Verwalters“. Das wären auch Themen, die der Eigentümerversammlung als gesetzliche Normaltagesordnung Gewicht und inhaltliche Bedeutung verleihen würde.
Derzeit ist lediglich geregelt, dass sie verbindlich und im Zweijahresrhythmus abzuhalten ist, aber ohne konkretes inhaltliches Ziel. Versammlungen sind nämlich auch dann einzuberufen (und darüber ist auch zu berichten), wenn nichts zur Klärung ansteht, wodurch ihr oft nicht mehr als die soziale Funktion eines „Bassena-Treffens“ zukommt, weshalb es Dirnbacher einst auch als „Gaststättenförderungsgesetz“ bezeichnete.
Auch in der Literatur wird darüber diskutiert, ob die Eigentümerversammlung nicht sogar die Stellung als Organ der Eigentümergemeinschaft einnehmen sollte. Genau hier muss man in der Frage der Abhaltung von „Online-Eigentümerversammlungen“ ansetzen: Für den Verwalter wird es wesentlich sein, seine vertragliche und/oder gesetzliche Verpflichtung zur Abhaltung von Eigentümersammlungen zu erfüllen. Da derzeit der Wortlaut des § 25 WEG über die Eigentümerversammlung keine Abhaltung von Online-Versammlungen vorsieht, wäre der Verwalter bedroht, von den Miteigentümern wegen Pflichtverletzung in Anspruch genommen zu werden, wenn er diese als Ersatz für die „klassische“ Eigentümerversammlung abhält. Die Folgen wären – neben Unstimmigkeiten mit den Wohnungseigentümern - Minderung des Entgeltes oder sogar in der Abberufung des Verwalters. Solange also der Gesetzgeber hier keine Änderungen vornimmt - wie er es etwa im Bereich des Vereinsrechts oder auch der Kapitalgesellschaften getan hat – wird die Erfüllung dieser gesetzlichen Pflicht ohne Mitwirkung der Miteigentümer nicht möglich sein.
Wie könnte man sich aber dem Ergebnis dennoch nähern, ohne die Rechte Einzelner zu verkürzen und dem Kundenwunsch – die Frage kommt ja nicht nur von Verwaltern sonder oft auch von Wohnungseigentümern - trotzdem zu entsprechen?
Das Gesetz selbst schafft die Möglichkeit, dass durch Vereinbarung oder durch eine Mehrheit mit zwei Drittel eine Verlängerung der Zweijahresfrist für Eigentümerversammlungen beschlossen werden kann. Wenn nun Eigentumsgemeinschaften lieber ihre Versammlungen als Online-Versammlung, Digitalmeeting udgl. abhalten wollen, so könnte man mit der Gemeinschaft vereinbaren, etwa im Jahresabstand derartige Videokonferenzen abzuhalten, den Ablauf, die Einladung, Protokollierung, Teilnahmevoraussetzungen etc. auch sehr genau zu regeln und „dafür“ sich von der Pflicht der Einberufung von Anwesenheits-Eigentümerversammlungen im Sinne des WEG entbinden zu lassen, etwa in dem die Frist für einen wesentlichen längeren Zeitraum erstreckt wird. Empfehlenswert wäre es darauf hinzuweisen, dass ohnedies weiterhin und uneingeschränkt die gesetzliche Möglichkeit besteht, dass mindestens drei Wohnungseigentümer, die zusammen mindestens ein Viertel der Anteile haben, schriftlich unter Angabe eines wichtigen Grundes die Einberufung einer Eigentümerversammlung vom Verwalter verlangen können.
Solange der Gesetzgeber die Rechtslage nicht ändert, wären Verwalter gut beraten, von den Eigentümergemeinschaften im Vorfeld derartige Beschlüsse einzuholen, um nicht wegen Pflichtverletzung in Anspruch genommen werden zu können.
Können nun auf einer Online-Hausversammlung (unabhängig, ob tatsächliche Eigentümerversammlungen abgehalten werden oder nicht) Beschlüsse gefasst werden?
Nach den Regelungen des WEG über die Willensbildung der Eigentümergemeinschaft sollten Beschlüsse „vornehmlich“ durch die Eigentümerversammlung durchgeführt werden. Dies wird dadurch relativiert, dass auch auf andere geeignete Art und Weise Beschlüsse zustande kommen können.
So ist es häufig, dass im Wege einer schriftlichen Befragung der Eigentümer („Umlaufbeschluss“) auch aus Fragen der Rechtssicherheit wichtige Fragen im Umlaufwege durch die Eigentümer beschlossen werden. „Auf andere Art und Weise“ könnte aber auch bedeuten, dass etwa eine telefonische Befragung oder auch Kombinationen mehrerer Befragungsmethoden zulässig wäre, solange die grundsätzlichen Regeln der Entscheidungsfindung der Eigentümergemeinschaft nicht verletzt werden. Darunter würde an sich auch eine „Online-Eigentümerversammlung“ fallen.
Ein Beschluss kommt erst dann zustand, wenn alle Miteigentümer die Gelegenheit hatten, sich zu äußern. Dies kann ein Hindernis sein, etwa wenn Miteigentümer technologisch gar nicht an einer Online-Eigentümerversammlung teilnehmen können.
In der Praxis wird es meist so gehandhabt, dass wichtige große Themen im Rahmen der Eigentümerversammlung diskutiert werden, dann ein gemeinsamer Beschlussgegenstand festgelegt wird und dieser dann sämtlichen Miteigentümern gemeinsam mit der Niederschrift zur Beschlussfassung vorgelegt wird. Auch eine nachträgliche schriftliche Befragung der nichtteilnehmenden Miteigentümer analog der additiven Beschlussfassung im Rahmen von Eigentümerversammlungen wäre denkbar. Um also das Risiko formell nicht korrekt zustande gekommener Beschlüsse zu vermeiden, wäre es empfehlenswert, die Online-Eigentümerversammlung dazu zu nutzen, die Stärken dieses Mediums auszuspielen: professionell zu präsentieren, Unterlagen zugänglich zu machen, auf einfachem und raschem Weg mehr Eigentümer als bei Anwesenheitsversammlung erreichen (Aufzeichnungen könnten ja auch nachträglich angesehen werden) und die Vermögensverwaltung in ihren Grundzügen zu besprechen. Eine entsprechende Niederschrift eine schriftliche abschließende Beschlussfassung im Sinne des Besprochenen wäre für alle beteiligten transparent und rechtssicher.
Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
Mariahilfer Straße 116/2.OG/2 - 1070 Wien
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