Zankapfel Bestellerprinzip
Immer wieder wird die Umsetzung des sog. Bestellerprinzips – v.a. mit Blick nach Deutschland, wo dieses seit 2015 gilt – auch für Österreich gefordert. Nach mehreren parlamentarischen Initiativanträgen der SPÖ und den NEOS, die dieses zum Gegenstand ihres Parteiprogramms gemacht haben, spricht sich nunmehr überraschenderweise auch die ÖVP dafür aus. Dem Vernehmen nach kann es dabei gar nicht schnell genug gehen: War zunächst noch davon die Rede, dass dieses nach der Nationalratswahl in der neuen Legislaturperiode beschlossen werden soll, macht die SPÖ nun Druck darauf, das Bestellerprinzip noch schnell davor durchs Parlament zu bringen. Ob noch in dieser oder der nächsten Legislaturperiode - eine nähere Betrachtung der juristischen Dimensionen der komplexen Thematik zeigt aber, dass diese Thematik für parteipolitisch motivierte Schnellschüsse in Vorwahlzeiten denkbar ungeeignet ist. Es bedarf eingehender Analyse aller rechtlichen wie faktischen Konsequenzen einer solchen Maßnahme, die im Rahmen dieses Beitrages natürlich nur im Ansatz dargestellt werden können:
Das Bestellerprinzip gefährdet die Rechtsgrundlagen des maklerrechtlich verankerten Prinzips des „Informationsmodells“. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber seit Jahren das konsumentenschutzrechtliche Prinzip des „Informationsmodells“ verfolgt, wenn er die Anordnung von Informationspflichten des Immobilienmaklers – vorzugsweise im vorvertraglichen Stadium – in den Mittelpunkt stellt. Dem Konsumenten soll durch möglichst umfangreiche Information zu allen relevanten Aspekten des abzuschließenden Rechtsgeschäftes eine solide Entscheidungsgrundlage geboten werden, die es ihm ermöglicht, eine eigenverantwortliche, gut überlegte Entscheidung zu treffen. An dieser Stelle ist nicht näher auf den konkreten Inhalt und Umfang dieser Informationspflichten einzugehen, wesentlich ist, dass sie alle schon allein nach ihrem Wortlaut ein Vertrags- bzw. Auftragsverhältnis mit dem Interessenten voraussetzen: Gemäß § 3 Abs 1 Maklergesetz hat der Makler die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren, § 3 Abs 3 verpflichtet Makler und Auftraggeber, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben. Der § 4 Immobilienmaklerverordnung legt standeswidriges Verhalten mit Auftraggebern fest. Gemäß § 30b Konsumentenschutzgesetz hat der Immobilienmakler dem Auftraggeber eine Übersicht über die dort näher bezeichneten Umstände zu geben. Auch Pkt C der Besonderen Standesregeln für Immobilienmakler des Fachverbandes der Immobilientreuhänder bezeichnet standeswidriges Verhalten den Auftraggebern gegenüber. Auch die Informationspflichten des § 4 Abs 1 Fern- und Auswärtsgeschäftegesetz (FAGG) müssen erfüllt werden, bevor der Verbraucher durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist.
Allen diesen Aufklärungs- und Informationspflichten würde die Grundlage entzogen werden, wenn infolge eines etwaig verwirklichten „Bestellerprinzips“ ein Vertragsverhältnis mit dem Wohnungssuchenden nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme ist. Denn eines muss klar sein: Ist es dem Immobilienmakler sohin verwehrt, mit dem Interessenten einen entgeltlichen Vermittlungsvertrag abzuschließen, wird er mit diesem auch keinen unentgeltlichen Vertrag mehr abschließen, der alleine Grundlage für eine maklerspezifische Leistungserbringung und Beratungstätigkeit sein kann. Der Wohnungssuchende ist aus der Perspektive des Maklers dann nur noch der „vermittelte Dritte“, dem gegenüber keinerlei Leistungspflicht und Haftung im Rahmen der anspruchsvollen und auch von der Rechtsprechung hoch angesiedelten Immobilienmakler-spezifischen Sachverständigen-Eigenschaft mehr besteht. Ob und auf welche Weise diese, für das österreichischen Konzept des Konsumentenschutzes essenziellen Informationsrechte in ein Bestellerprinzip „hinübergerettet“ werden können, erscheint mehr als fraglich.
Die Etablierung des Bestellerprinzips würde jedenfalls auch einen massiven Eingriff in verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrechte darstellen: Zunächst würde naturgemäß die dem Immobilienmakler durch Art 6 Staatsgrundgesetz (StGG) eingeräumte Freiheit der Erwerbstätigkeit in bedenklicher Weise beschränkt werden. Faktum ist, dass viele Makler aufgrund marktspezifischer Gegebenheiten ihre Geschäftstätigkeit – völlig rechtskonform – gerade darauf ausgerichtet haben, ausschließlich vom Interessenten und nicht auch vom Abgeber eine Provision zu lukrieren. Ein Bestellerprinzip käme hier faktisch einen Provisionsverbot gleich. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass sich der VfGH bereits 2012 mit dieser Thematik im Grundsatz auseinanderzusetzen hatte, nämlich anlässlich der Anfechtung der Novelle der IMV aus 2010, mit der die Höchstsätze für Provisionsvereinbarungen mit dem Mieter im wesentlichen von 3 auf 2 Bruttomonatsmieten herabgesetzt wurden. Der VfGH konstatierte hier immerhin eine „erhebliche Beschränkung der Honorargestaltung durch den Immobilienmakler“, die aber im gegebenen Konnex durch die im öffentlichen Interesse gelegene finanzielle Entlastung der Wohnungssuchenden (gerade noch?) gerechtfertigt sei. Dass diese Einschätzung auch noch bei einem faktischen Provisionsverbot auf Interessentenseite vertretbar ist, erscheint mehr als fraglich. Aber auch für den Interessenten stellt das Bestellerprinzip einen bedenklichen Eingriff in das durch Art 5 StGG gewährleistete Grundrecht auf Eigentum dar, schützt dieses doch nach neuerer Judikatur die Privatautonomie schlechthin, insbesondere auch das Recht auf Abschluss privatrechtlicher Verträge. Das Bestellerprinzip würde es nun dem Wohnungssuchenden dem Grunde nach verwehren, hinsichtlich einer konkret ins Auge gefassten Immobilie die Dienst- und Beratungsleistungen eines gewerblichen Immobilienmaklers entgeltlich in Anspruch zu nehmen. Ob ein solcher massiver Eingriff in die Vertragsfreiheit angesichts der absehbaren Umgehungskonstruktionen (dazu sogleich) durch ein öffentliches Interesse (welches eigentlich?) rechtfertigt sein kann, erscheint ebenfalls mehr als fraglich.
Abgesehen von diesen rechtlichen Dimensionen wird man sich aber auch die Frage stellen müssen, welche faktischen Auswirkungen die Umsetzung eines Bestellerprinzips auf den Immobilienmarkt hätte. Der Immobilienmakler wird zunächst natürlich dazu gezwungen sein, den Provisionsentfall auf Interessentenseite durch eine entsprechend höhere Provisionsvereinbarung auf der Abgeberseite zu kompensieren, will er weiterhin kostendeckend, im günstigen Fall gewinnbringend wirtschaften. Verkäufer und Vermieter wiederum werden bemüht sein, ihre dann höheren Provisionszahlungen auf den Partner des vermittelten Hauptvertrages, also den Mieter oder Käufer, zu überwälzen.
Dieses Szenario würde jedenfalls bei Kaufverträgen absehbarerweise eintreten: Abgesehen von den kaum praxisrelevanten Tatbeständen der laesio enormis (§ 934 ABGB) und des Wuchers (§ 879 Abs 2 ABGB) gibt es keine zivilrechtlichen Normen, die die zulässige Höhe von Kaufpreisen regeln, sodass hinsichtlich der Kaufpreisbildung immer eine gewisse Bandbreite an möglichen Vereinbarungen besteht. Die Höchstgrenze der Maklerprovision ist mit in der Regel 3 % des Kaufpreises im Verhältnis zum Kaufpreis auch relativ gering, sodass es in der Praxis kaum möglich sein dürfte, jenen Teil des Kaufpreises, der wirtschaftlich der Maklerprovision entspricht, nachvollziehbar herauszufiltern. Letztendlich würde das Bestellerprinzip bei der Vermittlung von Kaufverträgen daher zu einer – wenngleich nicht signifikanten – flächendeckenden Erhöhung des Kaufpreisniveaus führen, Nutznießer dieser Entwicklung wäre dann sicher nicht der Konsument, sondern lediglich der Staat, der über den Weg der so erhöhten Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbssteuer höhere Einnahmen lukriert. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen hat auch Deutschland das Bestellerprinzip bisher nur für Mietverträge und nicht auch für Kaufverträge eingeführt.
Ungleich komplexer stellt sich die Möglichkeit der Überwälzung der Abgeberprovision natürlich bei der Vermittlung von Mietverträgen dar: Abgesehen davon, dass angesichts der Miete als periodische Leistung an den Vermieter ein adäquates, transparentes Einpreisen der (einmalig fälligen) Maklerprovision schon rechnerisch schwer möglich sein wird, sind dieser Vorgehensweise im Anwendungsbereich von gesetzlichen Mietzinsobergrenzen natürlich Schranken gesetzt.
Uneingeschränkt möglich bleibt diese aber im Bereich der freien Mietzinsbildung. Hier wird man sehr genau überlegen und untersuchen müssen, zu welchen Marktverwerfungen ein Bestellerprinzip infolge des erhöhten Druckes auf die frei vereinbarbaren Mieten führen wird, dies auch vor dem Hintergrund der – mittlerweile offenbar von allen 3 Mittelparteien angestellten – Überlegungen zur Einführung flächendeckender Mietzinsobergrenzen mit Ausnahme der freien Vereinbarkeit der Mietzinse nur für einen gewissen Zeitraum nach Errichtung oder Sanierung (sog. „WILK“ -„wirtschaftsliberaler Korridor“). Alles in allem könnte so das Bestellerprinzip zum „Danaergeschenk“ für Konsumenten werden: Das offenbar als wahlkampfwirksam erachtete Versprechen der „Senkung von Wohnkosten“ wird um den Preis größter Intransparenz am Wohnungsmarkt erkauft. Dem Interessenten, dem ja weiterhin eine geldwerte Dienst- und Beratungsleistung des Immobilienmaklers zukommen soll, ist nicht mehr klar, was er letztlich wem hiefür bezahlen muss. Demgegenüber liegt in der (einmaligen) Zahlung einer Provision direkt an den Immobilienmakler eine klar bezifferbare und kalkulierbare Leistung, der eine transparente und nachvollziehbare Leistung des Maklers gegenübersteht.
von Mag. Andreas Berger, Maklerrechtsexperte und Autor
Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
Mariahilfer Straße 116/2.OG/2 - 1070 Wien
Wir verwenden Cookies zur Benutzerführung und Webanalyse, die dabei helfen, diese Webseite zu verbessern. Bitte wählen Sie hier Ihre Cookie-Einstellungen.