Eine ausreichende Nahversorgung sowie Verfügbarkeit medizinischer Versorgung, Schulen und Freizeiteinrichtigungen sowie eine gute öffentliche Anbindung insgesamt reichen für eine Überdurchschnittlichkeit der Lage nicht aus, wenn die Entfernung zur nächstgelegenen U-Bahnstation etwa einen Kilometer entfernt ist und die Liegenschaft direkt an der Hochtrasse einer S-Bahn liegt. Während das Erstgericht dem Sachverständigengutachten folgte und die Lage als besser als die Durchschnittslage beurteilte, bestätigte der OGH in seiner aktuellen Entscheidung (OGH 5 Ob 188/18k) die gegenteilige Ansicht des Rekursgerichts, das einen Lagezuschlag für die gegenständliche Liegenschaft in der Drechslergasse im 14. Bezirk nicht für zulässig erachtete.
Die Liegenschaft sei zwar, nach den unbekämpften Feststellungen, gut an den öffentlichen Verkehr angebunden: Haltestellen von zwei Straßenbahnlinien befinden sich 250 bzw. 150 m entfernt. Zwei Buslinien liegen in einer Entfernung von rund 800 bzw. 36 m, eine U-Bahnstation der Linie U3 liegt in rund 950 m Entfernung. Einrichtungen der täglichen Nahversorgung befinden sich in unmittelbarer Umgebung in der Linzer Straße, ebenso Ärzte, Kindergärten und Schulen. In der Nähe gibt es Parks, ein Familienbad, das Technische Museum und das in 20 Gehminuten erreichbare Schloss Schönbrunn. Das Objekt befinde sich in einem relativ dicht verbauten Wohn- bzw. Geschäftsgebiet. Das alles reicht aber nach Ansicht des Rekursgerichts nicht für eine bessere als Durchschnittslage aus: Betrachte man die außerhalb des Gürtels gelegenen vergleichbaren Lagen, so rechtfertige die im vorliegenden Fall festgestellte Erschließung der Wohnumgebung des Hauses mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die bestehenden Möglichkeiten der Nahversorgung sowie die vorhandene Infrastruktur die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage im Sinn des § 16 Abs 4 MRG nicht: Die Lage des Hauses sei keineswegs zentrumsnah, die U-Bahnstation, die als einzige der vorhandenen öffentlichen Verkehrsanbindungen eine rasche Erreichbarkeit des Zentrums ermögliche, liege rund 1 km von der Wohnung entfernt. Die bestehende Nahversorgung und die Verfügbarkeit von medizinischer Versorgung, Schulen und Freizeiteinrichtungen (das Schloss Schönbrunn ist in 20 Gehminuten erreichbar) sei zu wenig, um von einer Überdurchschnittlichkeit auszugehen. Gegen die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage spräche vor allem auch der Umstand, dass die Liegenschaft direkt an die Hochtrasse der Schnellbahnlinie S 45 grenze. Die Verrechnung eines Lagezuschlages sei daher nicht berechtigt.
Wie volatil und nach subjektiven Ermessen sich eine Beurteilung einer überdurchschnittlichen Lage erweist, wird etwa auch dadurch evident, dass beispielsweise das Landesgerichts für ZRS zu 39 R 70/18k einer Liegenschaft im fünften Bezirk, deren öffentliche Anbindung mit der gegenständlichen Liegenschaft durchaus vergleichbar war, sehr wohl eine überdurchschnittliche Lage attestierte.
Inwieweit eine Wohnumgebung als besser als eine andere anzusehen ist basiert weitgehend auf einer subjektiven Einschätzung. Somit kommt die Zulässigkeit des Lagezuschlags aber einem Lotteriespiel gleich. Selbst eine Beurteilung der Lagequalität durch den Immobiliensachverständigen erübrigt sich, wenn man es anders sehen möchte. Darin liegt der entscheidende Vor- und gleichzeitig auch der Nachteil der „allgemeinen Verkehrsauffassung“: sie ist schlichtweg nicht verifizierbar. Auf die Folgen dieser Auslegung wies übrigens Dirnbacher bereits 1994 in seiner Publikation zum Richtwertmietzins hin, weshalb er den Versuch des Gesetzgebers, das Kriterium der Lage durch die Bezugnahme auf den Grundkostenanteil zu objektivieren, als im Ansatz richtig ansah.
von Mag. Karin Sammer, ÖVI Rechtsexpertin
Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
Mariahilfer Straße 116/2.OG/2 - 1070 Wien
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